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Hygienepläne – warum Vorlagen selten passen

Von der Schreibtisch-Lösung zum funktionierenden System im Alltag

Bei einem Audit in einer mittelgroßen Bäckerei fiel mir ein dicker, sauber abgehefteter Ordner auf – Beschriftung: „Hygieneplan“.
Der Inhaber meinte stolz:
„Den hat mir damals unser Lieferant geschickt, der passt für alle Filialen.“

Auf den ersten Blick wirkte alles ordentlich: Listen, Tabellen, Unterschriftenzeilen.
Doch beim Durchsehen zeigte sich schnell, dass der Plan aus einem ganz anderen Betrieb stammte.
Aufgeführt waren Geräte, die gar nicht vorhanden waren – ein „Kühlraum 2“, der nie existierte, und Desinfektionsmittel, die keiner kannte.
Kurz gesagt: ein Plan aus der Schublade, nicht aus dem Betrieb.

Solche Vorlagen sehe ich regelmäßig. Sie erfüllen die Formalität, aber nicht den Zweck.
Ein Hygieneplan soll Abläufe steuern, Risiken minimieren und Verantwortlichkeiten klären – kein Papier sein, das bei einer Kontrolle „vorzeigbar“ aussieht.

Der Trugschluss der Musterpläne

Viele Betriebe glauben, dass eine Vorlage ausreicht, solange sie sauber ausgefüllt ist.
Doch Hygienepläne sind betriebsbezogene Pflichtdokumente – sie müssen exakt zu den tatsächlichen Gegebenheiten passen.

Ein Standardplan ignoriert:

  • Raumstruktur und Produktionsablauf,
  • genutzte Reinigungs- und Desinfektionsmittel,
  • Personalstärke und Schichtsystem,
  • sowie den Unterschied zwischen Filiale, Backstube und Verkaufsbereich.

Das führt zu Widersprüchen im Alltag:
Im Plan steht „Backofen täglich desinfizieren“ – in der Praxis wäre das Unsinn.
Oder: „Fußböden im Verkaufsraum mit Desinfektionsmittel reinigen“ – obwohl dort Lebensmittel offen ausliegen.

Diese Fehler wirken harmlos, sind aber rechtlich relevant.
Denn laut Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) und EG-Verordnung 852/2004 müssen alle Verfahren angemessen und überprüfbar sein.
Ein Plan, der nicht umsetzbar ist, erfüllt diese Anforderung nicht.

Was das Gesetz tatsächlich verlangt

Die wichtigsten Grundlagen lauten:

  • § 4 LMHV: Betriebe müssen Verfahren einführen, um Hygiene sicherzustellen.
  • EG-Verordnung (EG) Nr. 852/2004, Anhang II: Reinigung und Desinfektion müssen dem Zweck und der Art des Betriebs angepasst sein.
  • Arbeitsschutzgesetz (§ 5 ArbSchG): Gefährdungsbeurteilungen müssen auch Hygienerisiken erfassen.

Diese Regelungen gelten auch für kleine Betriebe.
Ein kopierter Plan, der nichts mit dem eigenen Betrieb zu tun hat, ist rechtlich wertlos – und kann bei einer Kontrolle sogar negativ ausgelegt werden.
Denn dann steht der Verdacht im Raum, dass der Betrieb seine Pflichten nicht eigenständig erfüllt hat.

Praxisbeispiel: Wenn Papier und Wirklichkeit auseinanderlaufen

In der genannten Bäckerei zeigte sich ein typisches Muster:
Im Plan waren drei Reinigungsmittel aufgeführt – im Regal standen fünf andere.
Dosierungen stimmten nicht, Einwirkzeiten waren falsch, und keiner der Mitarbeitenden wusste, wer den Plan zuletzt angepasst hatte.

Ein weiteres Beispiel:
In der Filiale wurde der Verkaufsbereich abends von Aushilfen gereinigt.
Im Hygieneplan war als Verantwortlicher jedoch „Betriebsleiter Backstube“ eingetragen – eine Person, die dort nie tätig war.

Solche Abweichungen sind keine Kleinigkeiten.
Sie zeigen, dass der Plan nicht gelebt wird.
Und genau das prüfen Kontrolleure zuerst:
Entspricht der Plan der Praxis – oder wurde er nur abgeheftet?

Der richtige Weg: Vom Muster zur Maßarbeit

Ein funktionierender Hygieneplan entsteht im Betrieb, nicht im Büro.
Er basiert auf einer klaren Struktur:

  1. Ist-Aufnahme: Welche Räume, Geräte und Arbeitsmittel gibt es tatsächlich?
  2. Produktübersicht: Welche Reiniger und Desinfektionsmittel werden eingesetzt, mit welchen Konzentrationen?
  3. Festlegung von Intervallen: Welche Bereiche werden täglich, wöchentlich, monatlich gereinigt – und warum?
  4. Verantwortlichkeiten: Wer ist zuständig? Wer kontrolliert?
  5. Schulung: Alle Mitarbeitenden müssen wissen, was der Plan vorgibt.

Nur wenn diese Punkte dokumentiert und verstanden sind, funktioniert das System.
Ein guter Plan ist kein Dokument zum Abheften, sondern ein Werkzeug für den Alltag.

Erfahrung aus der Praxis

Ich sehe häufig Betriebe, die aus Zeitdruck oder Unsicherheit auf fremde Vorlagen zurückgreifen.
Oft sind diese gut gemeint – aber sie passen weder zu den eingesetzten Mitteln noch zu den tatsächlichen Arbeitsabläufen.

Ein Plan, der an den Betrieb angepasst ist, spart dagegen Zeit und Diskussionen.
Er verhindert Missverständnisse, sorgt für nachvollziehbare Abläufe und reduziert das Risiko von Beanstandungen.
Vor allem schafft er eines: Verlässlichkeit.

Fazit

Ein Hygieneplan ist kein Musterformular, das man herunterladen kann.
Er ist das zentrale Steuerungsdokument eines hygienisch arbeitenden Betriebs.
Kopierte Vorlagen mögen ordentlich aussehen – aber sie halten keiner Kontrolle stand, wenn sie nicht mit der Realität übereinstimmen.

Hygiene entsteht nicht durch Formulare, sondern durch Verbindlichkeit im Alltag.
Und die beginnt mit einem Plan, der wirklich zum Betrieb passt.